Weil es wichtig ist, auf den Abschied vorbereitet zu sein.
Seit Februar sind wir Netzwerk-Partner bei Bohana. Diese Entscheidung fiel bei uns ziemlich spontan und aus dem Bauch heraus, es war fast wie eine Eingebung. Eigentlich hatte ich auf Instagram schon häufiger Beiträge von Bohana gesehen – ich wusste, es geht um Themen wie Trauer und Abschied, die für uns ja auch sehr wichtig sind – und folgte dem Profil auch schon eine Weile, aber so richtig damit beschäftigt hatte ich mich nicht. Bis zu dem einen Post, als Anne Kriesel, die Gründerin des Netzwerks, den 2. Bohana-Geburtstag feierte und ich mich, während ich einen Gratulations-Kommentar tippte, plötzlich fragte, wie man eigentlich Teil von Bohana sein könnte. Und so schaute ich mir zum ersten Mal die Bohana-Webseite, die Vision und die Ziele des Netzwerks genauer an – und da war mir sehr schnell klar: Das passt genau!
Bohana – was ist das eigentlich und wofür steht es?
Bohana – eine Wortschöpfung von Gründerin Anne Kriesel, zusammengesetzt aus dem hawaiianischen Wort “ohana” für Familie und dem Begriff “Bwana”, der auf Swahili soviel bedeutet wie “der große Chef”, ein Name, den sich Anne’s Vater gegeben hatte. Und so steht Bohana für etwas sehr Persönliches und gleichzeitig für eine große Gemeinschaft. In meinen Augen ein sehr passender Ausdruck für ein Netzwerk, in dem es um einige der persönlichsten Themen überhaupt geht: um Abschied, Tod und Trauer, um das Darauf-Vorbereitet-Sein und den bedürfnisorientierten Umgang damit.
Mit diesen Themen haben wir in den letzten Jahren sehr viel zu tun gehabt und sie sind uns mittlerweile sehr ans Herz gewachsen – sowohl aus eigener, persönlicher Erfahrung als auch im Austausch mit unseren KundInnen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass wir mit Anne vom ersten Moment an einen so herzlichen Kontakt hatten und sie uns nach einem ausführlichen Telefonat in ihr Netzwerk aufgenommen hat. Ende März waren wir dann zum ersten Mal bei einem Bohana-Netzwerktreffen dabei und es war einfach wunderschön, so viele Menschen zu treffen, mit denen wir uns intensiv austauschen konnten und die noch viel mehr Wissen, Erfahrung und Inspiration dazu mitbringen, wie man mit dem Lebensende – sei es das eigene oder das eines geliebten Menschen oder Tieres – so umgehen kann, dass es sich “gut” anfühlt.
„Schöne Erinnerungen zu gestalten, ist Liebe. Und Liebe bleibt …“
Anne Kriesel, Gründerin von Bohana
5 Fragen an Anne Kriesel
Anne, die sich auf der Bohana-Webseite vorstellt mit “Ich werde sterben. Und du übrigens auch.“, habe ich als sehr herzliche Frau mit einem enorm vielseitigen Hintergrund kennengelernt, die für ihr Herzensprojekt Bohana breit vernetzt und unglaublich aktiv ist. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass sie sich die Zeit genommen hat, mir einige Fragen zu beantworten. Damit es für sie möglichst einfach ist, haben wir ein “WhatsApp-Interview” draus gemacht: ich habe ihr die Fragen geschickt und sie hat sie mir als WhatsApp-Sprachnachricht beantwortet. Damit Ihr sie hier lesen könnt, ohne Kopfhörer aufzusetzen, habe ich sie natürlich verschriftlicht – und ich hoffe, Ihr könnt Euch ebenso viel Wertvolles daraus ziehen wie ich.
Liebe Anne, Bohana steht als Netzwerk für eine lebendige Abschiedskultur. Was darf ich mir darunter vorstellen? Wer ist Teil des Bohana-Netzwerks und wie sieht der Austausch innerhalb des Netzwerks aus?
Bohana ist ein Online-Portal und Netzwerk für lebendige Abschiedskultur. Wir informieren und inspirieren über selbstbestimmte Trauer, alternative Bestattungen und individuelle Vorsorgemöglichkeiten. Unsere NetzwerkpartnerInnen sind ausgewählte BestatterInnen, TrauerbegleiterInnen und Menschen, die den Umgang mit dem schweren Thema Tod etwas leichter machen. Auch Vereine, Verbände und Bildungsinstitute können ihre Unterstützungsangebote bei uns präsentieren. Der Wandel der Abschiedskultur ist eine gesellschaftlich relevante Aufgabe. Bohana verbindet die reale und digitale Welt – und schafft Begegnungsräume für ExpertInnen und Betroffene. Bohana ist ein zentraler Ort im Internet, an dem jeder Mensch die Hilfe findet, die er braucht.
Unser Netzwerk ist ein Pool an MöglichmacherInnen, die nicht in Konkurrenz, sondern in Kooperation denken und handeln. Wir unterstützen und empfehlen uns gegenseitig. Unsere Themenschwerpunkte sind Vorbereitet Sein und Sterben, Bestattungsfragen, Abschied und Erinnerung gestalten, Trauer im persönlichen Umfeld, Trauer am Arbeitsplatz sowie Kinder, Tod und Trauer. Eine Übersicht der Profile, Produkte, Angebote und Workshops unserer rund 150 Netzwerk-PartnerInnen sind auf www.bohana.de zu finden.
Du hast Bohana gegründet und setzt die Bohana Vision gemeinsam mit Deinem Team um. Wie sieht ein typischer Tag für Dich aus, welche Aufgaben stehen auf Deiner Agenda?
Die Hauptaufgabe von Bohana ist das Netzwerken und das Sichtbarmachen der Themen, für die wir stehen. Da gibt es nicht den einen klassischen Tagesablauf, sondern die Tage sind geprägt durch den Auf- und Ausbau sowie die Betreuung des Netzwerks,. Das heißt, dass ich selbst auch versuche, viel in Kooperation zu wirken, zu verbinden, zu unterstützen und zu begleiten. Auch Betroffene, die Unterstützung suchen und brauchen, kommen immer häufiger direkt auf mich zu. Hier vermittle ich die aus meiner Sicht richtigen NetzwerkpartnerInnen. Und ich versuche, den Bekanntheitsgrad von Bohana zu steigern, zum Beispiel durch PR-Maßnahmen, Interviews, Blogbeiträge, Newsletter. Dafür arbeite ich sehr eng mit unserer Content Redakteurin Andrea Stanke zusammen.
Unser Netzwerk soll und darf wachsen. Hierfür baue ich gerade ein Team mit regionalen Satelliten auf, das mich dabei unterstützen wird. Ich schaffe Begegnungsräume wie den BestatterInnen-Stammtisch oder unserer Messestand auf der „Leben und Tod“. Bohana entwickelt auch selbst neue Formate und innovative Projekte. Dafür haben wir immer drei bis sechs Monate im Vorlauf, sind also gerade mit den Planungen für Ende 2022 und Anfang 2023 beschäftigt.
Welcher Bereich der Abschieds- und Trauerarbeit liegt Dir persönlich besonders am Herzen?
Das Thema Vorbereitet sein ist mein Motor. Ich wünsche mir, dass Menschen grundsätzlich besser auf die Themen rund um Sterben, Tod und Trauer vorbereitet sind. Ich gebe selbst Workshops zu dem Thema und habe einen Online-Kurs erstellt. Trauerwege können aus meiner Sicht anders begangen werden, wenn Dinge besprochen, geklärt und geregelt sind – und das bezieht sich nicht nur auf den klassischen Papierkram. Ich begleite Menschen auch persönlich am Lebensende und versuche nochmal Klarheit reinzubringen, damit man besser gehen kann und die, die bleiben, sich auf das Traurigsein konzentrieren können.
Was würdest Du Dir von Politik und Gesellschaft wünschen bzw. was müsste sich aus Deiner Sicht im Umgang mit Trauer und Tod ändern, um die Abschiedskultur in unserem Land ins „Heute“ zu bringen? Wo „hakt“ es noch?
Ich persönlich mache immer wieder die Erfahrung, dass Menschen einfach nicht darauf vorbereitet sind bzw. werden, dass sie Menschen verlieren werden. Wenn man ganz realistisch ist, ist das ein Thema, das auf jeden Einzelnen von uns zukommt. Spätestens wenn es darum geht, dass man sich selbst mit dem Gedanken anfreunden muss, dass man nur für einen gewissen Zeitraum auf dieser Welt ist. Das ist tatsächlich ein Bereich, in dem ich mich zunehmend engagiere. Ich möchte in den nächsten Jahren deutlich mehr mit diesem Thema in den Bildungsbereich gehen. Denn es ist aus meiner Sicht sehr wichtig, dass Kinder viel selbstverständlicher mit diesen Themen in Berührung kommen.
Trauer findet überall statt, nicht nur durch den Tod, sondern ganz allgemein dadurch, dass wir Menschen oder auch Tiere verlieren. Wir sind es jedoch nicht gewohnt, einen natürlichen Umgang damit zu pflegen. Mir ist deshalb eine bedürfnisorientierte Herangehensweise und Kommunikation sehr wichtig – gerade auch mit Kindern. Wir sind innerhalb des Netzwerks gerade dabei, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die dafür sorgen soll, dass diese Themen auch Zugang zu Schulen finden. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, aber das Engagement ist groß.
Ich werde auf der Messe „Leben und Tod“ einen Workshop zu diesem Thema geben. Der war sehr schnell ausgebucht, was mir zeigt, dass der Bedarf riesig ist. Daraus folgt nun deshalb ein Online-Kurs, den ich zusammen mit einer Netzwerkpartnerin aufbaue. Wir wollen uns hier ausführlich der Frage widmen, wie man empathisch und bedürfnisorientiert mit Kindern über Trauer, Tod und Sterben sprechen kann. Kurz gesagt: Ich wünsche mir sehr, dass es im Bildungsbereich einen Wandel und neue Strukturen gibt, die uns ermöglichen, offener über diese Themen zu reden. Damit wir besser darauf reagieren können, wenn der Ernstfall eintritt.
Wenn Du jemandem, der gerade einen geliebten Menschen oder ein geliebtes Tier verloren hat, eine Sache oder einen ersten Schritt empfehlen könntest, was wäre das?
Der allerwichtigste Rat ist, sich Zeit zu nehmen. Keine zu schnellen Entscheidungen zu treffen und sich bewusst zu machen, dass der Verlust eines geliebten Menschen oder eines geliebten Tieres – egal, wie gut man vorbereitet ist – ein Moment der totalen Krise ist. Und in diesem Moment braucht man einen klaren Kopf, den man aus meiner Sicht nur mit Ruhe, Zeit und guten BegleiterInnen bekommen kann. Das persönliche Netzwerk ist deshalb hier sehr wichtig – und nicht nur das persönliche, sondern auch das professionelle Netzwerk. Menschen, die wirklich hinschauen, was man selber in der Krise gerade braucht.
Was ich auch empfehle, ist, Erinnerungen zu schaffen. Auch hier ist es sehr wichtig, die richtigen Menschen um sich zu haben, die mit einem klaren Blick und von außen Impulse geben. Wenn man selbst nicht vorbereitet ist, ist man darauf besonders angewiesen, dass andere Menschen im kurzen Zeitraum der Abschiednahme Impulse und Ideen einbringen. Erinnerungsstücke zu haben, kann einen enormen Unterschied in der langen Zeit der Trauer machen. Ob es dann ein Fingerabdruck oder ein Pfotenabdruck ist oder ob es eine außergewöhnliche Abschiednahme ist, an die man sich gern erinnert oder die man selbst intensiv mitgestalten konnte. Wichtig ist, dass man besondere Erinnerungen im Rahmen der Abschiednehmens schafft.
Als unser Hamster starb, haben meine Kinder mit einer unglaublichen Liebe eine Holzkiste ausgestattet, sich viele Gedanken dazu gemacht und den Ort für das Grab ausgewählt. Wir hatten vorher darüber gesprochen, dass sie ihren Hamster gehen lassen müssen. Sie hatten sich rechtzeitig verabschiedet und sie waren darauf vorbereitet. Interessanterweise hat das dazu geführt, dass es zwar in dem Moment sehr traurig war, aber das Vorbereitet-Sein hat das Drama rausgenommen. Trauern ohne Drama, das sollte das Ziel sein: Damit wir so gut vorbereitet sind und durch gute Menschen, Inspiration und Informationen begleitet werden, dass wir letztlich “anders” trauern. Trauern auf jeden Fall. Denn wo Liebe ist, da ist auch Trauer. Aber die Art und Weise, wie wir trauern, macht einen ganz großen Unterschied.
Zusammengefasst: Es braucht Zeit und gute Menschen um uns herum, die für Information und Inspiration sorgen, wenn wir nicht selbst schon so gut vorbereitet sind. So oder so braucht man immer andere Menschen. Denn man kann gar nicht so gut vorbereitet sein, dass es einen nicht umhaut, wenn es soweit ist. Emotional kann man sich einfach nicht darauf vorbereiten, jemanden zu verlieren, den man liebt.
Liebe Anne, vielen Dank, ich fand den Austausch mit Dir sehr inspirierend und finde mich selbst an vielen Stellen wieder. Wie oft sage ich unseren KundInnen, sie mögen sich Zeit für ihre Entscheidungen lassen. Abdrücke zu nehmen ist eine schöne Möglichkeit, Erinnerungen zu schaffen – je eher man sie hat, desto besser. Vorbereitet zu sein oder das Zeitfenster des Abschieds dafür zu nutzen, ist hier besonders wichtig, weil man irgendwann einfach keine Abdrücke mehr nehmen kann. Aber sobald man sie hat, kommt es auf einen Tag oder eine Woche nicht mehr an – viel wichtiger ist dann, dass man sich für die Art Erinnerungsstück entscheidet, die sich gut und richtig anfühlt. Und dafür muss man sich Zeit nehmen.
Inspiration aus dem Bohana Blog
Ich habe für Euch noch ein bisschen auf dem Bohana-Blog gestöbert und möchte Euch noch einige wirklich schöne und hilfreiche Beiträge ans Herz legen:
Erinnerungen schaffen:
- Über Zigarettenrauch im Treppenhaus und die Kraft der Erinnerung
- Über die Kunst, Erinnerungen zu schaffen
- Ein Abschied, der durch die Trauer trägt – Warum die Beerdigung meiner Tochter eine schöne Erinnerung ist
Vorbereitet sein:
- Zwischen Suppe und Kartoffel spricht man nicht über den Tod
- Für das gute Gefühl, alles geregelt zu haben
- Nach mir die Sintflut
Abschied von Tieren nehmen:
- Begleitung und Abschied von Tieren individuell gestalten
- Trauerbegleitung – Wenn ein Tier stirbt
- Ein Nachruf auf ein Tier kann sehr tröstlich sein
Und wenn Ihr noch mehr darüber erfahren wollt, was man tun kann, um sich auf den Abschied vorzubereiten, lege ich Euch das Video-Interview mit Anne “Interview zum Thema Sterben und Tod – wie vorbereitet bist du?” ans Herz. Das gesamte Bohana-Blog ist eine Quelle der Inspiration für eine große Bandbreite an Themen, von der Familientrauerbegleitung über Trauer am Arbeitsplatz bis hin zur Bohana Playlist für Tage, an denen man sich einfach mal ausklinken muss.
Wir sind auf jeden Fall sehr froh, Teil dieses Netzwerks zu sein, in dem viele Herzensmenschen zusammenkommen, die so ähnlich ticken wie wir: denen es darum geht, andere vor, während und nach dem Abschied von geliebten Menschen und Tieren gut zu begleiten. Wir freuen uns schon sehr auf die “Leben & Tod” Anfang Mai in Bremen, auf der wir hoffentlich viele von ihnen persönlich treffen und kennenlernen werden.
Alles Liebe
Eure Katja
Zu unserem Bohana-Profil: